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Tori Amos

Quelle: Mannheimer Morgen

Die Sängerin Tori Amos im Mannheimer Rosengarten

Von unserem Mitarbeiter Hans-Günter Fischer

Es soll Leute geben, die sich eine Platte der gelungenen Verpackung wegen kaufen (auch wenn diese im CD-Zeitalter nur noch Bonsai-Größe hat). Bei Tori Amos wäre es verzeihlich: Auf dem Cover ihrer aktuellen Scheibe sieht man eine wirklich wunderhübsche Frau - Miss Amos selbst. Nur ist sie, allerdings aus purer Absicht, etwas übertrieben durchgestylt. Und öffnet man das Booklet, hat man eine ganze Fotostrecke voller Amos-Bilder mit den unterschiedlichsten Klamotten, Haarfarben und Posen vor sich. Je ein Bild für jeden Song. Vom - selbstverständlich blonden - Engel bis zum Vamp.

Bei ihrem Mannheimer Konzert im voll besetzten Mozartsaal des Rosengartens sucht man solchen Mummenschanz vergebens. Tori Amos schlüpft hier nicht in Rollen, sie entblößt sich vielmehr selbst. Es dominieren daher auch die selbst verfassten Stücke, nicht die Klassiker aus fremden Federn - von Neil Young bis Eminem - vom neuen Album.

Amos wirkt sehr zart, fast mädchenhaft. Doch dieses Mädchen weiß vom Leben Dinge, die bei manchem Mann noch nicht einmal in seinen Träumen - oder Albträumen - passieren. Ihre Texte sind zumeist Erkundungen der dunkleren Bezirke menschlicher Befindlichkeiten und Gedanken, handeln immer wieder von Verletzungen und Traumata. Und auch in Mannheim wirkt ihr Vortrag so, wie er schon oft beschrieben worden ist: Es scheint, als ob sie die Konzertbesucher ins Vertrauen ziehen und zur Abnahme intimer Beichten bringen wolle.

Ganz allein sitzt Tori Amos auf der Bühne, vor dem größten, hubraumstärksten aller Bösendorfer-Flügel. Nur zwei E-Pianos leisten ihr ansonsten noch Gesellschaft. Der Klavierklang wird vom Mann am Mischpult ab und an zu orchestraler Fülle aufgedonnert, und auch Amos' Stimme - schmachtend, flehend, sehr zerbrechlich - bleibt von Hall-Effekten nicht verschont. Aber gefangen nimmt sie allemal, ob mit belegtem Timbre klagend oder in der höchsten Lage flötend wie Kate Bush.

Eine Klavier-Ballade folgt der anderen, was allen dramaturgischen Gesetzen streng genommen Hohn spricht. Für das Zählen der Uptempo-Nummern braucht man nicht einmal fünf Finger - es genügt bereits ein einziger. Den alten Hit der Boomtown Rats, "I Don't Like Mondays", bringt Tori Amos ebenfalls in einer Zeitlupen-Version. Was ihn noch abgründiger, doppelbödiger erscheinen lässt. Es gibt nicht Viele, die die Lieder anderer derart gebieterisch in Besitz nehmen.

Das Publikum lauscht fast schon andachtsvoll. Und drängt am Ende, bei den Zugaben, zur Bühne wie die Kirchgänger beim Abendmahl zum Pfarrer vor den Altar. Nimmt noch einmal sängerische Segnungen entgegen. Unter anderem auch "Something" von George Harrison: eine Hommage der sanften Tori an den sanften Beatle, die ihm wohl gefallen haben würde.

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